Kreuzfahrt mit der MS Mistral im Dezember 2001


Gesamter Inhalt: Deutschsprachige Reiseberichte

Von: Edith Graeser

Traumreise mit kleinen Macken (3. - 23.12.2001)

Montag, den 3. Dezember: Am Stuttgarter Flughafen erfuhren wir von Mitreisenden, dass wir statt mit der European Vision mit der Mistral fahren würden. Wir waren die Einzigen gewesen, die von ihrem Reisebüro darüber nicht informiert worden waren.

Wegen Nebel in Mailand starteten wir verspätet und flogen über ein Wolkenmeer mit eingefrorenen Wellen, das in der Morgendämmerung langsam heller wurde. In der Schweiz überragten schneebedeckte Bergspitzen die Wolken und durch Löcher dazwischen konnte man ein wenig Landschaft betrachten. An einer Flussmündung glitzerten noch die Lichter eines Ortes.

Mailand-Genua war eine Busfahrt durch herbstliches Land.

Am frühen Nachmittag bezogen wir auf der Mistral unsere Kabine, die, wie für die European Vision vorgesehen, die Nummer 1054 hatte und so ausgestattet war wie im Prospekt beschrieben. Die verschiedenen Räumlichkeiten liegen auf der Mistral auf den gleichen Decks wie auf der European Vision, tragen nur andere Namen. Der Mistral fehlt lediglich die Kletterwand, das Internetcafé und der Minigolfplatz. Außerdem ist die Mistral zwei Jahre älter als die European Vision, nämlich 1999 gebaut.

Die European Vision lag in Genua in einem entfernten Hafenbecken: Vom obersten Deck war sie in der Ferne gut zu sehen, fotografieren konnte ich sie wegen der abendlichen Lichtverhältnisse nur noch von unserer Kabine. Da überragte nur ihr "Festival"-Kamin die davor liegenden Schiffe.

Anstatt am Nachmittag legten wir erst um 1/2 10 Uhr am Abend ab, weil wegen eines Streiks die Flüge nach Mailand bis zu 5 Stunden Verspätung hatten und zum Teil von Mailand nach Nizza umgeleitet worden waren.

Das Schiff schwankte, vermutlich durch seine Größe, weniger als die Festival Flamenco oder die Costa Riviera, und die Motoren waren auch kaum zu hören. Gelegentlich war ein Zittern zu verspüren, angeblich durch kleine Kurskorrekturen.

Dienstag, den 4. Dezember 2001 auf See: Gerade ist es 12.15 Uhr und ich sitze im Windschatten auf dem Balkon. Die See ist leicht bewegt, von hier oben aus, dem 10. Deck, wirkt sie fast glatt. Da sich auf den Wellen aber leichte Schaumkronen zeigen, ist schon Bewegung da. Als ich vorhin im 12. Deck durch den Windfang zum Bug spazierte, musste ich gegen den Wind ankämpfen und das war schööön! - Der Horizont ist zwar zu sehen, aber er verschwimmt leicht im Dunst. - Von hier oben im 10. Deck wirkt die Geschwindigkeit sehr mäßig, vom Heck auf Deck 5 ist sie ganz ansehnlich. Da 1 Knoten = 1 Seemeile = 1,852 km/h entspricht, fahren wir mit rund 37 Stundenkilometern über das Meer. Da dürfte es nicht ganz leicht sein, eine ohne Schwimmweste über Bord gegangene Person zu retten.

Um 10 Uhr war die Rettungsübung, zum ersten Mal unter realeren Bedingungen im Freien. Uns wurde aber gar nicht viel erklärt, es wurde nur geprüft, ob alle Passagiere mit ihren angelegten Rettungswesten gekommen waren, ein Fotograf schoss die obligatorischen Fotos und ein anderer filmte.

Am Himmel waren ein paar blaue Wolkenlöcher zu ahnen und während des ganzen Vormittags gab es gedämpften Sonnenschein.

Sonne, Wolken, Wasser, Wind: Diese Worte für mich sind Ausdruck für das Wohlbehagen, das ich fühl' an Urlaubstagen.

Von meinem Sitzplatz im Hecksalon auf Deck 11 kann ich etwa 250 º Horizont überblicken, wobei sich in der Mitte das durch die Motoren aufgewühlte Wasser in einem immer schmaler werdenden türkisfarbenen Streifen in der Ferne verliert. Noch ist es so, dass ich am Bug ankomme, wenn ich zum Heck wollte und umgekehrt. Aber die Orientierung kann nur besser werden (stimmt nicht!)

Mittwoch, 5.12. - Malaga: Um 1/2 9 Uhr bin ich aufgewacht. Die See ist fast spiegelglatt und wir fahren an einer bergigen Küste vorbei. Der Leuchtturm ist, laut Kabinen-Fernseher, das Kap da Gata vor Almeria. Davor leuchten in der Sonne einige Fischerboote, von Vögeln umschwirrt, wie durch das Fernglas zu erkennen ist.

Bei der Einfahrt in den Hafen von Malaga fuhren wir an der Costa Victoria vorbei, ein noch größerer Kasten als unsere Mistral und hat auch 4 Sterne. Von Bord gehen konnten wir in Hemd und leichtem Pullover. Dabei waren die Straßen bereits weihnachtlich geschmückt, und an einem Weihnachtsmarkt fuhren wir vorbei. Entlang dem Ufer zieht sich ein Park hin, an verschiedenen Stellen blühen Bäume rosafarben. Laut Fremdenführer sind es Chorisien = Seidenwollbäume = Kapokbäume. Von der Alcazaba und dem Castillo de Gibralfaro, wo viele für uns unbekannte Pflanzen wachsen, hatten wir einen wunderschönen Ausblick auf das Land, das Meer und den Hafen mit den beiden Ozeanriesen Mistral und Costa Victoria. Die zum Schluss besuchte Kathedrale sei nicht die schönste, größte oder höchste der Welt, aber die wärmste.

Gegen 21 Uhr verließen wir Malaga. In der Straße von Gibraltar bekam die spiegelglatte See Schaumkronen. Die Mistral pflügte mit uns an der Küste vorbei und in der Ferne stieg eine Dampf- oder Wassersäule auf, aber es war der Felsen von Gibraltar. Nach Westen zu war er weniger steil. Rechts und links davon Lichterketten über- und durcheinander, und durch deren Reflexe an den Wolken waren die Umrisse des Berges ganz scharf zu sehen.

Donnerstag, 6.12. - auf See: In der Nacht begann das Schiff etwas stärker zu schwanken, so dass man sich vorstellen kann, dass dazu disponierte Menschen seekrank werden können. Dabei spiegelte die See bei sanften Wellen, die, nicht vom Wind verursacht, eine recht langgestreckte Dünung besaßen. Eine solche kann nicht durch die Größe des Schiffes ausgeglichen werden.

Der Horizont nach Süden zu ist so scharf wie mit einem Messer gezogen und die glitzernden Wellen ziehen entlang der Mistral, die kraftvoll das Wasser durchpflügt, recht schnell vorbei. Durch mehrere Schichten Wolken blickt gelegentlich die Sonne durch. In der Ferne blitzt ein von der Sonne beschienener heller Streifen. Diese Beobachtung machte ich im 5. Heck-Deck, dem tiefsten für uns zugänglichen. Von unserem 10. Deck aus wirkt die Geschwindigkeit nicht so hoch, dafür sehen wir gen Norden, wo sich am Horizont das Wasser mit dem Himmel im leichten Dunst verbindet.

Heute am späten Nachmittag ist Captain's Cocktail, 3/4 Stunden vor dem Abendessen beginnend. Dieser war kurzfristig angesagt worden, bevor wir Zeit hatten, die Kleider aufbügeln zu lassen. Also verzichteten wir auf diesem ersten Teil der Reise auf den Händedruck des Kapitäns und das Foto.

Von einem Mitreisenden hörten wir, dass sie in der Innenkabine die bei uns fehlenden Dinge besaßen: Radio, Fön und Tresor. Bei meiner Reklamation entspann sich der folgende Dialog: "Haben Sie!" -- "Nein!" -- "Haben Sie doch!" -- "Wo?" -- "Hinter dem großen Spiegel"! Da soll einer draufkommen!

In den nächsten Tagen sollten wir noch die wildesten Gerüchte über die European Vision hören von Bombendrohung bis späterem Umzug auf sie oder Besichtigungsmöglichkeit in der Karibik. Erwiesen dürfte sein, dass sie wegen eines Elektronikschadens repariert werden muss und das die G8-Gipfel-Teilnehmer sie als Hotel benutzt hatten.

Freitag, den 7.12. - Madeira: Als unser Wecker um 1/4 8 Uhr klingelte, hatten wir bereits angelegt. In der Dämmerung glitzerte Funchal fast bis zu den Berggipfeln. Nach dem Frühstück machte ich mich selbständig und ging ein Stück in Richtung Stadt mit dem Versprechen, spätestens um 11 Uhr wieder zu kommen, damit weder Mittagessen noch Ausflug versäumt würden.

In einem Park nahe dem Hafen blühten Geranien, Oleander, Kokospalmen, rosa Kamelien, Fuchsien, Weihnachtssterne, Bougainvilleen, Orangen, Agaven und vieles andere. Ein großer Baum muss eine Mimosenart gewesen sein. An der Stützmauer sonnten sich Eidechsen. Am Pier waren ein Lokal sowie eine Ladenstraße, die Textilien anboten, aber auch Obst: unter anderem Früchte, die wir noch nie gesehen haben. Auf meinem Weg Richtung Funchal kam ich an einem kleinen altertümlichen Segelboot vorbei, das vor der Mistral lag und auch Passagiere beförderte. Ich schätzte, dass es in unsere beiden Pools hineingepasst hätte. Wie es heißt, soll es eine Nachbildung der Santa Maria sein, mit der Columbus Amerika entdeckt hatte. Wie Paul Hermann in "Zeigt mir Adams Testament" auf Seite 49 schreibt, charterte sich "Kolumbus die Santa María. ... Von dem Aussehen ... wissen wir so gut wie nichts. Alle auf die Gegenwart überlieferten Abbildungen sind ungenau und wohl mehr oder weniger Produkte der schöpferischen Phantasie irgendeines Zeichners..."

Am Nachmittag ging es mit einem Bus durch die Stadt zum botanischen Garten. Im April/Mai soll alles in höchster Blüte stehen, aber selbst jetzt im Dezember konnte man seine Blütenpracht bewundern. Damit die Bewunderung in Erinnerung bleibt, kauften wir einen sehr schönen Bildband über die dortigen Blumen. Dem folgte der Besuch einer Korbmacher- und Flechtwerkstatt. Zum Teil werden dort sehr aufwendig Möbel hergestellt: Was vom Ausgesägten, wie bei Laubsägearbeiten, übrig bleibt, wird mit bastähnlichen Bändern umwickelt. Der Werkstatt angeschlossen ist natürlich ein Souvenirladen.

Während des Wartens auf das Ablegen trat aus der zunehmenden Dämmerung die Weihnachtsbeleuchtung von Funchal immer mehr hervor. Auf unserem Balkon landeten vom 11. Deck bunte Papierschlangen, und kaum waren wir in Fahrt, wurde durch Lautsprecher zur "Sail-away-Party" aufs 11. Deck geladen. Die Animateure tanzten den Passagieren ein wenig vor, manche Leute kamen uns mit Cocktails entgegen, Berge von Papierschlangen lagen herum, ein Mann hatte sich dick in solche eingewickelt und bald hatte sich alles wieder verlaufen.

Funchal grüßte uns noch lange mit seinen immer schwächer werdenden Lichtern bei Windstärke 1 - 2 und einer Wellenhöhe von 0,1 - 0,5 m laut Fernseher. Um 3/4 12 Uhr war Fototermin für das Mitternachtsbüfett: Es war enttäuschend. Zwei Eisfiguren waren neben ein paar Ananas- und Zitronenvögeln zwischen Torten, Käse und obst aufgebaut. Die Köche haben also nicht viel Phantasie walten lassen, wenn man zum Beispiel nur an die Lauchmännchen auf der Flamenco oder Costa Riviera denkt. Letztere waren einander so ähnlich, dass da weniger Phantasie als die entsprechenden Vorlagen benötigt werden.

Samstag, den 8.12. - 1. Tag auf dem Atlantik: Am Morgen war alles grau in grau bei schwachem Wellengang. Bereits gestern Abend hatte es ein wenig genieselt. Inzwischen hat es aufgeklart, der Himmel ist hellblau mit weißen und grauen Wolken, der Horizont klar zu erkennen. Ziemlich viele weiße Wellenkämme sind auf dem stahlblauen Wasser. Die Windstärke soll 5 = frische Brise betragen bei einer Wellenhöhe von 1,25 - 2,5 Metern. Das Schwanken des Schiffes empfinden wir aber nicht stärker als bei Windstärke 1.

Ich war heute Vormittag 10 Minuten auf dem Deck schwimmen. Irgendwie brauchte ich dazu mehr Atem als ich es sonst gewohnt bin. Der Pool mit etwa 21 ºC ist sehr klein, da ich ihn aber für mich alleine hatte, konnte ich die Diagonale ausnützen. Der gleich große Pool mit 30 ºC war ziemlich voll.

Beim Spaziergang bekam Jussi ganz graue Hände: Die Geländer am 11. Deck (!) sowie an unserem Balkon waren voll Salz. Ein Filmdöschen habe ich damit zu einem Drittel gefüllt.

Nach 15 Uhr (die Zeit wurde inzwischen um 2 Stunden zurückgestellt) sitzen wir gemütlich auf unserem Balkon und lesen bzw. genießen die Wellen. Die Luft ist mild bei angeblicher Windstärke 5. Wir fahren bei leicht bewölktem Himmel der Sonne entgegen. Ich meinte, in der Ferne ein paar Vögel gesehen zu haben. Eigentlich waren es nur helle Punkte, die sich nicht so wie weiße Gischt bald verloren. Nach einer Weile flog tatsächlich ein Vogel längere Zeit in Kurven neben uns her, bevor er uns überholte und vor dem Bug verschwand. Weiter weg müssen auch noch einige gewesen sein. Dass es hier Vögel gibt, überraschte mich sehr, da wir momentan weit von irgendwelchem Land entfernt sind: östlich der Kanarischen Inseln und von diesen fast so weit weg wie von Madeira. Die Größe des beobachteten Vogels konnte ich nicht abschätzen. Er hatte aber weit ausladende beide Flügel mit schwarzen oder dunkelbraunen Spitzen.

Jetzt sind zwei Vögel zu sehen. Als Zeugen für die Vögel habe ich Jussi, ein Ehepaar aus Bad Bergzabern sowie einen jungen Mann aus Wien. Mit ihnen waren wir beim Nachmittagstee an einem Tisch zusammen gesessen. - Krüger-Atlas der Ozeane Seite 75: "Die Küstenseeschwalbe, Sterna paradisea ... Die langen, spitz zulaufenden Schwingen und die langgestreckten Schwanzfedern ermöglichen es ihr, schwebend zu manövrieren. ... Die Flugleistungen der Küstenseeschwalbe sind außergewöhnlich: zwischen den arktischen Brutplätzen und den Sommerquartieren in der Antarktis legen die Vögel jährlich 32.000 km zurück." Nach einem Schwarz-Weiß-Foto umgeben eine dunkle Randfeder sowie dunkle Spitzen einen helleren Streifen ungefähr über die halbe Breite der Flügel.

Abends besuchten wir das Theater. Die Darbietungen waren recht nett und dauerten 3/4 Stunden. Inzwischen hatten wir Windstärke 6 bekommen = kräftige Brise, aber immer noch war eine Wellenhöhe zwischen 1,25 und 2,5 m angegeben. Seit dem Spätnachmittag schwankte das Schiff stärker und alle gingen wie betrunken durch die Gänge.

Sonntag, den 9.12. - 2. Tag auf dem Atlantik: Um 8.30 Uhr ist der Himmel fast wolkenlos und die Schaumspur liegt in der Sonne. Die Wellen haben nur ab und zu Schaumkronen, aber das Schiff schwankt wie gestern Abend. Windstärke 6, Wellen 1,25 -2,5 m, Wasser- und Luft-Temperatur: 20ºC

Nach langem habe ich wieder das Zeichen für die Windstärke gesehen und damit zum ersten Mal das für kräftigen Wind: ein waagrechter Strich und für jeden Grad der Windstärke einen halben nach links außen zeigenden strich, hier also wie ein Kamm mit drei Zinken. Laut Karte haben wir jetzt mehr als die Hälfte der Entfernung zurückgelegt. Gestern Nachmittag hätten wir den Wendekreis des Krebses gekreuzt. Wenn wir ein halbes Jahr früher oder später dran wären, würde die Sonne senkrecht über und stehen und wir keinen Schatten werfen.

14.30 Uhr: Windstärke 4 = leichte Brise, Wassertemperatur 24 ºC, Außentemperatur 20,5 ºC.

Die Besichtigung der Brücke kostete pro Person 10 DM, früher war sie kostenlos gewesen. Die Brücke befindet sich am selben Deck wie unsere Kabine. Von hier gibt es natürlich den besten Rundblick, denn sie verbreitert sich an beiden Seiten durch Erker. Nur von hier ist das Schiff auf seiner ganzen Länge zu beobachten. Später stellte ich fest, dass es hinter jedem Erker noch einen Balkon im Freien gibt. Der Kapitän wohnt gleich hinter der Brücke, auch die ersten Offiziere. Das übrige Personal hat seine Schlafräume unter dem 5. Deck. Wie wir hörten, haben deren Zweier-Kabinen kein Tageslicht. Da die Betten übereinander stehen, sei es recht geräumig.

Ich sitze lesend (jetzt schreibend) am Balkon: Erst ein leises Rauschen von der Bugwelle, dann schwillt es an, und während der Schaum in Mustern zergehend an uns vorbeizieht, bildet sich am Bug eine neue dicke schaumbildende Welle. Als wir heute Vormittag im Schatten lagen, weil die Sonne von Backbord kam, warf der Kamin vor uns auf Steuerbord seinen Schatten auf die weiße Gischt.

Jetzt habe ich endlich eine Eselsbrücke für Steuer- und Backbord: Steuer rückwärts ergibt Reuets, und ue ersetzt durch ch ergibt Rechts! Dann muss Backbord links sein.

Die Weite des Atlantiks ist phantastisch! Wir können nicht feststellen, aus welcher Richtung die Wellen kommen und wohin sie gehen. Sieht man ein Wellental, wird es in den nächsten Momenten hochgehoben oder wandert zur einen oder anderen Seite, und die Wellenberge wandern, gelegentlich mit Schaumköpfen versehen, zu Tal. Die Weite und Höhe der Täler und Berge können wir von hier aus auch nicht abschätzen und wir fragen uns, mit welchen Messgeräten die Crew die veröffentlichten Maße ermittelt. Größer ist die Frage, wie die früheren Seeleute auf den schwankenden Schiffen ohne Kardanaufhängung mit Sex- und Oktanten ihre Messungen vorgenommen haben.

Die über den Himmel ziehenden Wolken werfen Schatten auf das Wasser, so dass sich verschiedene Farben ergeben. Wir fahren weiterhin der Sonne entgegen, und das Wasser ist türkisblau mit silbergrauen Reflexen. In der Ferne gibt es tief dunkelblaue Streifen, manche mit einem rosa Schimmer, und am Ende steht die klare Linie des Horizonts.

Montag, den 10. Dezember - 3. Tag auf dem Atlantik: Um 14.30 Uhr ist das Wasser im Schatten des Schiffes tiefdunkelblau und tiefblau in der Sonne, weiter entfernt anthrazitfarben mit einem rosa Schimmer, und gegen den Horizont zu wieder dunkelblau, gelegentlich mit Schaumkronen.

18.38 Uhr: Luft 24 ºC, Wasser 27 ºC, Windstärke 5 = frische Brise, Wellen 1,25 - 2,5 m, 1065 hg

Am Nachmittag gab es Neptuns Taufe. Dazu marschierte Neptun am 12. Deck mit Gefolge ein. Am Pool war die Zeremonie. Sie wurde uns beschrieben: Auf den Köpfen der Täuflinge wurden rohe Eier zerschlagen, mit Mehl bestäubt, mit Sekt begossen und im Pool versenkt. Dieser war nachher nicht durchsichtig, sondern hellbraun und mit lockerem Schneeschaum bedeckt. Appetitlich war er nicht mehr, ähnlich wie der ganze Taufvorgang.

So gut und reichhaltig die Menüs sind - manche kann man als Gedicht bezeichnen - gelegentlich geht auch etwas schief. So hatte ich in einem Hackfleischbällchen eine Metall-Locke gefunden. Auf meine Reklamation beim Kellner kam der Saalchef, ein weiterer und schließlich der Koch. Nach seiner Entschuldigung wollte er unsere Kabinen-Nummer wissen. Auf die Kabine hat er uns aber keine Aufmerksamkeit geschickt. Als ich ihm am nächsten Abend sagte, die Locke sei vergessen, aber der Appetithappen (getrüffelte Entenleberpastete) habe wunderbar geschmeckt, freute er sich und erklärte, er selber habe sie kreiert.

Dienstag, den 11. Dezember - 4. Tag auf dem Atlantik: Inzwischen sind die Uhren gegenüber Mitteleuropa um 3 Stunden zurückgestellt.

Um 8.10 ist es trübe, der Himmel einheitlich grau, die See anthrazitfarben mit vereinzelten Schaumkronen. Die Luft draußen ist wie in einem Badezimmer. Kommt man nach drinnen, ist es kühl. Jussi stellte fest, dass es hier nach Rauch riecht, entweder von einem Nachbarn oder durch die Klimaanlage - Wie uns auf der Brücke erklärt worden war, braucht das Schiff die meiste Energie für die Klimatisierung.

Zum Frühstück waren wir im Restaurant mit Bedienung. Dort konnte man zwar auch wählen, wenn man jedoch ans Büfett ging, konnte man sich nehmen was und so viel man wollte. Ließ man sich das Frühstück auf der Kabine servieren, was wir nie taten, gab es grundsätzlich kontinentales Frühstück. Nach einer Woche auf dem Schiff hatten wir festgestellt, dass es am 11. Deck im Frühstücksraum auch zu Mittag Büfett gibt, heute sollte es karibisch sein.

Die zahlreichen Wolken liegen auf einer hellgrauen Unterlage, darüber lichtumflossene Wattebäusche.

11.30 Uhr: In die Bar auf Deck 5 schien die Sonne durch das Bullauge. Gegen die Sonne war das Meer platingrau und wie mit Diamantsplittern besetzt. Auf unserer Seite hatte es die Farbe von Waschblau. Immer mehr blaue Flecken und Streifen zeigten sich am Himmel.

5 Uhr nachmittags: Bis jetzt war es den ganzen Tag trübe mit nur wenig blauem Himmel. Von den vorausgesagten strichweisen Regenschauern haben wir nichts abbekommen. Vorhin machte mich Jussi auf meinen Bademantel aufmerksam: ich hatte ihn nach dem Baden aufs Bett gelegt und der Kragen stand in die Höhe. Er zitterte unaufhörlich.

Abends gab es die First-Club-Einladung. Eine Französin bekam den 1. Preis. Mit einer Flasche Sekt wurde sie für ihre 9. Festival-Fahrt belohnt. Weil so viele Teilnehmer gekommen waren, wurden für das Foto mit dem Kapitän in vier Gruppen aufgeteilt.

Mittwoch, den 12. Dezember - 5. Tag auf dem Atlantik: Heute wurde das Versprechen eingelöst, eines. Die Schale Obst gab es aber nicht für die Metall-Locke, sondern für den First Club.

Um 14 Uhr gab es Windstärke 6 mit ziemlich viel Schaumkronen, die Stärke des Windes empfand man auf dem Schiff nicht. Luft: 28,0 ºC, Wellenhöhe 2,5-4 m bei rauer See. Position: 16º02' N, 55º§&'§, 1021,0 hPa (= Hektopascal, entspricht den früher gebräuchlichen Millibar. Mittelwert: 1013,25 hPa = 760 mm Quecksilbersäule.), 1. Pool 28,6 ºC, 2. Pool 32,0 ºC.

Im Gegensatz zu gestern ist es heute wieder sonnig und das Meer hat eine Waschblau-Färbung. Vereinzelt sind Wolken am Himmel. Jussi ist jetzt auch froh, dass wir einen Balkon auf der Schattenseite haben. Aber sehr viele Unentwegte suchen auf den obersten Decks nicht den Schatten, sondern die Sonne. Wir fragen uns, ob der Schiffsarzt zur Zeit hauptsächlich Sonnenbrände behandeln muss.

Heute war ich zum 4. Mal im kühleren Pool. Die ersten beiden Male war ich fast alleine drinnen, heute war er bei 28,6 ºC voll und wir alle wurden von der Animation verscheucht, weil sie dort ein Ballspiel veranstalteten. Ein Beweis, dass uns der Umzug auf die European Vision blüht, ist, dass sie laut Festival-Zeitung ab heute auf See ist und nicht mehr in Genua.

Heute waren wieder Vögel zu sehen. Ich machte Jussi darauf aufmerksam, dass über dem Wasser libellenartige Tiere zu sehen sind. Er erklärte mir, dass dies Fliegende Fische seien, die sich, aufgescheucht, vom Schiff entfernen und mit einem Platsch im Wasser verschwinden.

Damit endete die wunderschöne Fahrt über den Atlantik. Uns wurde bewusst, wie einsam man hier sein kann, denn nur ein einziger Frachter hatte unsere Route gekreuzt.

Donnerstag, den 13. Dezember - St. Lucia: Um 6.40 Uhr ist Land in Sicht auf Steuerbord. Es muß Martinique sein.

Castries, auf der bergigen, von vielen Buchten zerklüfteten grünen Insel St. Lucia, empfängt uns mit blauem Himmel und Wolken. Auf dem nahen Flugplatz starten und landen Flugzeuge, und auf den Gewässern sind viele Boote zu sehen. Am Hafen ist eine Anlage mit Palmen und Blumen, und weiße Häuser stehen an den Hügeln. Vor uns im Hafen hat die Costa Romantica angelegt.

Hier soll es eine Hotelanlage geben nur für Paare, aber nicht für Einzelpersonen und Kinder. Wir sind an Land, die Treppen zum Pier sind bereits aufgebaut und die ersten Passagiere verlassen das Schiff. Schnell war es trübe geworden und beim Umsteigen auf den Katamaran, nach Durchquerung der vermeintlichen Clubanlage, überraschte uns ein kurzer Regenguss. Auf dem Katamaran brach ein Plastikstuhl zusammen, als sich das Boot bewegte und Jussi sich dranlehnen wollte. Es wurden uns Säfte aus Ananas, Grenadinen und anderen Früchten angeboten, ohne oder mit einem Schuss Rum.

Bevor wir zu Küsten kamen, die so sind, wie man sie sich vorstellt, fuhren wir an großen Erdöltanks vorbei.

Geankert wurde in der malerischen Marigot-Bucht (Marigot soll Mangrovensumpf bedeuten) mit einem Sandstrand, dahinter Palmen und andere tropische Bäume sowie Hügel mit üppigem Grün. Eine unbefestigte Zufahrt versteckt sich hinter Bäumen. Von dem Katamaran wurde eine Treppe ins Wasser gelassen, und so konnte, wer wollte, baden. Umziehen musste man sich in einer engen, nicht gerade einladenden Toilette. Das Meer war angenehm warm. Unentwegt wurde der Katamaran von Booten mit eingeborenen Händlern umschwirrt, die vor allem billigen Schmuck und hübsch aussehende große Muscheln mit rosa Innenseiten anboten. Wie ich von irgend jemandem hörte, würde das Muschelfleisch gegessen und diese Muscheln stünden nicht unter dem Artenschutzgesetz. Wir ließen lieber die Hände von einem solchen Kauf, denn die Zöllner in Deutschland könnten anderer Meinung sein.

Hier soll "Dr. Doolittle" gedreht worden sein, und vor 200 Jahren sei die Bucht ein berühmtes Piratenversteck gewesen.

Dann ging es mit dem Katamaran weiter. Die Felsen zwischen den Buchten stiegen sachte an, und bald begann die Silhouette der beiden Pitons, die das Städtchen Soufrière beherrschen, über den niedrigeren Hügeln hervorzutreten. Hier gibt es wunderschöne Gästehäuser und ankernde Segelschiffe von beachtlicher Größe. Das Wasser ist giftgrün.

Vor 499 Jahren sei Columbus hier gelandet. "Piton" heißt auf Französisch "Bergspitze" und wird auch andernorts für spitze Berge verwendet. der große und der kleine Piton sind tatsächlich sehr spitz und durch Vulkanausbrüche entstanden. Der Vulkanismus zeige sich noch in den hiesigen Schwefelquellen, die wir nicht besuchen konnten.

Nach dem Mittagsbüfett in einem Landgasthof gingen wir in den botanischen Garten mit den Diamanten-Wasserfällen. Das bunte Diamant-Glitzern konnten wir nicht bewundern, da gerade keine Sonne schien, im Gegenteil, es hatte wieder einen kurzen Regenschauer gegeben.

Wir hatten etwas Obst mitgenommen und die Birnen waren matschig geworden. Jussi stieg vor der Weiterfahrt aus dem Bus, und sie wurden ihm gleich abgenommen. Im nächsten Moment erschien derselbe Farbige am Bus-Fenster und wollte Geld. 1 $ bekam er. Dies war ihm zu wenig, er wollte 2 oder 3 haben und musste energisch fortgeschickt werden.

Auf der Busfahrt nach Castries machten wir Pause in einem kleinen Ort. Es war entweder Canaries oder Anse la Raye. Hier gab es einen Straßenmarkt mit den üblichen T-shirts, Früchten und Kitsch. In Richtung Meer lagen ein paar Boote. Der Eindruck von diesem Ort war recht bescheiden.

Freitag, den 14. Dezember - Guadeloupe: Am Morgen in Pointe-à-Pitre auf Gouadeloupe war es ganz trübe gewesen, es klarte aber bald auf und immer mehr blauen Himmel bekamen wir zu sehen.

Von unserem Frühstückstisch aus konnten wir den Hafen übersehen: Ein Tanker legte gerade im Industriehafen an. Einen Schlepper, der in Richtung Passagierhafen fuhr, muss ich beschreiben: Das Motorschiff war eine fein säuberlich auf zwei Schwimmer montierte Platte, auf der ein Mann saß. Antrieb war ein Außenbordmotor. Das erste geschleppte Fahrzeug war eine Art Floß, mit Stricken am Motor-Floß angehängt. Das nächste war auch ein Floß, ebenfalls mit einem Strick angehängt. Er war aus mehreren Teilen zusammengeknotet. Nach einer Weile fuhr der Schlepper ohne Anhänger und Ladung zurück, und der Mann winkte mir freundlich zu. Etwas später fuhr er wieder vorbei, aber nur mit einem Anhänger.

Der östliche Teil der wie ein Schmetterling geformten Insel heißt Grande Terre und sei flach. Mit dem westlichen Basse Terre ist er durch zwei Brücken über den Salzfluss verbunden. Auf Guadeloupe machten wir die große Inselrundfahrt. Bruno, unser charmanter einheimischer Reiseführer, hatte 6 Jahre lang in einer Plastikfabrik bei Freiburg gearbeitet und sprach ausgezeichnet Deutsch. Neben der Straße trugen Bäume ziegelrote Blüten, und überall sah man Grün. Es war ja auch kurz nach dem Ende der Regenzeit. Die Häuschen, an denen wir vorbei fuhren, hatten rote oder grüne Dächer, manche waren auch flach. - Vor uns ein Pickup mit einem Schwein auf der Ladefläche. 1989 hätte ein Orkan die Vegetation zerstört, so dass die Wälder jetzt sehr jung seien.

Weiter fuhren wir ins Gebirge von Basse Terre. Von einem Parkplatz folgte ein kurzer Spaziergang durch den Regenwald zu einem Wasserfall. Blüten sahen wir dort nicht, aber dafür duftete es dort wunderbar frisch, einfach unbeschreiblich. Die Passstrasse, über die wir fahren, ist neu, aber Bauarbeiter sind dabei, die Folgen der letzten Erdrutsche zu beseitigen, weshalb es stellenweise Einbahnverkehr gibt. Der Tourismus brächte viel Geld, aber in der Landwirtschaft gäbe es mehr Beschäftigte. Wir fahren an einem Autofriedhof vorbei, an eleganten Villen, daneben stehen Hütten mit neuen kleinen Autos.

An der Westküste, die wir bald erreichen, sind ebenfalls Straßenbaumaschinen mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt. Hier in der Karibik sei die See ruhiger als am Atlantik. An der Küste würde Erdwärme verwertet. - Auf St. Lucia ist der Friedhof unterirdisch, hier oberirdisch. Die Friedhöfe werden "Dörfer des ewigen Urlaubs" genannt. Die Arawak-Ureinwohner der Karibik seien friedlich gewesen, wurden von den Kariben aus Südamerika überwältigt, die Männer umgebracht, die Frauen behalten. Später fand man, dass die Frauen andere Sprachen sprechen als die Männer. Ich finde, dass es unter den Einheimischen besonders viele sehr schöne Menschen gibt, ganz gleich welcher Farbschattierung. In manchen Gebieten, wohl in ärmeren, fiel mir auf, dass viele mit Zahnlücken herumlaufen. - So wie die Rassen und deren Mischungen seien auch die Religionen vielfältig.

An Bäumen mit gefiederten Blättern hängen große grüne und braune Schoten. Es seien Flammenbäume (es soll verschiedene Arten davon geben), die prachtvolle rote Blüten hätten. Allamanden, zu den Hundsgiftpflanzen gehörend, blühen gelb und rot. Ihr Saft könne Blindheit verursachen. Wir sahen eine Kirche mit Fensterläden, was auf mich sehr eigenartig wirkte. Aber warum sollte sich eine Kirche nicht auch vor der Hitze schützen? Früher wurde hier sehr guter Kaffee angebaut, er sei jedoch zu teuer geworden. - Der Ort Basse Terre im Südwesten von Basse Terre sei einstens ein Bananenhafen gewesen.

Wir fuhren zum Vulkan La Soufrière auf einer engen kurvigen Straße. Vor jeder Kurve wurde wegen der Unübersichtlichkeit laut gehupt. Und plötzlich kam uns tatsächlich ein Bus entgegen. Aber das Aneinander-Vorbeifahren wurde gemeistert. Hier sei der regenreichste Punkt der ganzen Karibik, und tatsächlich, vom Vulkan war nichts zu sehen, wir fuhren nach der Baumgrenze an Sträuchern vorbei in eine immer dichter werdende Nebelwolke hinein, so dass der Bus frühzeitig wendete. Bevor es wieder richtig zu gießen begann, konnten wir dort fotografieren. Fast stärker zu riechen als zu sehen waren die Schwefeldämpfe. - Der Vulkan selbst war alle 20 Jahre ausgebrochen, nämlich 1956, 1976 und 1996.

Anschließend war der Besuch einer Festung geplant, wegen des Regens wurde jedoch gleich zum Essen gefahren. Dieses war noch nicht fertig. So war Warten angesagt. Beim Auftragen der Speisen und Getränke machte sich Bruno nützlich.

Samstag, den 15. Dezember - St. Martin/St. Maarten:

Wasser 29 ºC, Luft 26 ºC, Windstärke 2

Dabei rollt und schwankt das Schiff bei grauem Himmel. Gerade fuhren wir an einer beleuchteten Insel vorbei, die Karte am Fernseher zeigt aber nicht unsere Position an. Dafür verabschiedet sich die Crew von den Passagieren, die uns in "Marseille/France" verlassen. Hoffentlich stimmt die Navigation besser!

Anfangs konnten wir im Fernsehen noch deutsche oder zumindest englische Nachrichten empfangen, etwa seit der Mitte des Atlantiks gab es keinen Empfang mehr. Die wichtigsten Nachrichten konnte man der Bordzeitung entnehmen.

Meine folgende Frage konnte mir niemand beantworten: "Wo und wann kann man sich an der glatten Decke festhalten?" Die Antwort: "In der Dusche, wenn das Schiff schwankt."

Etwa nach einer Stunde hat der Regen aufgehört und wir legen bei Philippsburg auf St. Maarten an. Der Himmel ist noch dicht bewölkt, aber mit einigen blauen Flecken, und das Wasser hat eine herrlich türkisgrüne Farbe. Der südliche Teil der Insel ist das holländische St. Maarten, der nördliche Teil das französische St. Martin. Die Grenze zwischen den beiden Teilen sei folgendermaßen gezogen worden: Ein Holländer und ein Franzose stellten sich im Jahre 1648 Rücken an Rücken am Beginn der Grenze auf und begannen in entgegengesetzter Richtung um die Insel zu laufen. Wo sie einander wieder trafen, endete die Grenze.

Die Insel ist heute kaum mehr bewaldet, alles war abgeholzt worden So stammen die heutigen Palmen aus Miami. Beim Vorbeifahren fallen viele Hardware-Handlungen und Schönheitssalons auf, und oft wird für Budweiser Reklame gemacht. Im holländischen Teil wirken die Häuser etwas wirr, man kann bauen wie man will, die Franzosen hätten strengere Bauvorschriften.

Der 11. September habe sich negativ auf den Tourismus ausgewirkt, und die meisten seien darauf angewiesen. Man sieht sehr viele Autos, die Straßen sind jedoch nicht gut. Mit letzter Kraft schafft unser bejahrter Bus die Steigungen, die Klimaanlage lässt sich nicht ausschalten, es zieht wie Hechtsuppe. Ich schütze mich mit dem Rucksack vor dem Luftzug, eine andere Frau hat deswegen ihren Regenschirm aufgespannt. Die Lautsprecheranlage ist miserabel, worüber sich fast alle hinten im Bus beklagen.

In Marigot, beherrscht von der Festung St. Louis, hatten wir eine Stunde Aufenthalt. Es bot sich an, den nahen Markt zu besuchen, der hinter einer hölzernen Ladenstraße liegt. Wieder begann es zu gießen, die Händler unter den Sonnenschirmen deckten ihre Waren notdürftig mit Plastikplanen ab und versteckten sich auch unter solchen. Wir flüchteten uns in die belebte Ladenstraße. In einem der offenen Cafés hatte die farbige Wirtin nichts zu tun, wir bestellten einen Kaffee und setzten uns an den Rand der Galerie, gerade noch geschützt vor dem Regen. Nach einer Weile brachte sie den Kaffee in einer verbeulten Aluminiumkanne und schenkte isolierende Plastikbecher voll, dazu Sahne oder Kondensmilch. Von diesem Kaffee werden wir noch lange schwärmen, denn wir meinen, noch nie einen so guten irgendwo getrunken zu haben. Davor kann sich der Kaffee auf der Mistral verstecken. Die Wirtin stammte aus Santo Domingo. Zum Festhalten meines großen Sonnenhutes hatte ich mir auf dem Markt ein blaugrundiges buntes Tuch gekauft. Es hatte auch einiges vom Regen abbekommen.

22.30 Uhr: Von Puerto Rico sehen wir im Vorbeifahren eine langgestreckte Lichterkette. Witzig ist: Wir empfinden das Schiff als unser Zuhause und sagen manchmal "wir gehen heim".

Sonntag, den 16. Dezember - Santo Domingo:

8.50 Uhr (New York 7.50, Paris 13.50): Wasser 28 ºC, Windstärke 6 = kräftige Brise, Wellen 1,5 - 2,5 m

Gegen 9 Uhr hat die Mistral angelegt, und vor dem Anleger spielt und tanzt eine Folklore-Gruppe. Heute sind im Bus außer uns Deutschen auch Spanier und Engländer. Unser Reiseführer Edwin hat durch Langenscheid Deutsch gelernt und spricht es sehr gut, auch Englisch und Spanisch.

Als erstes besuchen wir die nach oben offene Tropfsteinhöhle "Tres Ojos" (drei Augen), inmitten eines Parks gelegen. Die drei sich darin befindlichen Becken sollen verschiedenes Wasser enthalten: süßes, salziges und schwefelhaltiges. Die Höhle ist nicht groß und nicht tief, aber sehr reizvoll durch den reichen Pflanzenbewuchs am Rand und an den Wänden. Das Columbus-Denkmal mit Museen hatten wir bereits vom Meer aus gesehen. Es ist ein riesiger Bau, der aus der Ferne wie ein Wohnblock wirkt.

1992 war das Aquarium außerhalb der Altstadt eröffnet worden und zeigt das einheimische Wasserleben. Aufgehalten wurden wir dort durch einen Wolkenbruch. An vielen Wohnhäusern sind erstaunlicherweise die obersten Stockwerke vergittert. Da habe ich mir sagen lassen, dass die Gitter, oft kunstvoll ausgeführt, ein Statussymbol seien.

In Santo Domingo herrschten abwechselnd die Franzosen und die Spanier. Es bauten nur die Franzosen mit Balkonen. Die Nebenstraßen sind Ablageplätze für Müll. In der Fortalezza Ozama sahen wir die Räume, in denen die Familie Colunmbus gewohnt und geherrscht haben soll.

Nicht weit davon besuchten wir eine Kirche mit einer Menge Grüften und Grabplatten für verdiente Männer und Frauen, bewacht von einem Soldaten. Durch nichts ließ er sich beim Geradeausblicken stören. Vor dem Besuch der Festung hätte ich meinen Strohhut gut brauchen können, aber er war im Bus. Später, beim Gang durch die Stadt hatten wir wenigstens unsere Schirme dabei. Es war gerade noch Zeit, in ein Lokal zu flüchten.

Aus Latten und Bändern nachgebaute Weihnachtsbäume, geschmückt mit Sternen und Lichtern, waren zu sehen. Neben der Promenade gab es eine ansehnliche Brandung. Wir fuhren durch ein Viertel des Mittelstandes, auch durch eine protzige Villengegend. Beiderseits einer von uns befahrenen Straßenbrücke waren dagegen an einem Flussufer große Slums zu sehen. Sie bestanden aus kleinen, eng beisammen stehenden Wellblechhütten.

Während des Abendessens legten wir ab. Noch lange waren die Lichter von Santo Domingo zu sehen. Nach dem Essen kamen der Koch und ein Kollege von ihm, vermutlich der Konditor, um zu fragen, wie wir zufrieden gewesen seien. Zwar hatte er uns für die Matall-Locke keine Entschädigung auf die Kabine geschickt, aber wir lobten alles, womit wir ja die Wahrheit sagten. Nur die Salzkartoffeln kritisierten wir. Die Bratkartoffeln waren akzeptabel gewesen.

Wir fuhren nach Süden, einem Gewitter zu. Erst blitzte es vor uns, dann steuerbords, und gelegentlich war auch Donner zu hören. Im Gegensatz zu uns schien das Gewitter seinen Standort beizubehalten. Der Rauch von unserem Schornstein wurde aufs Meer gedrückt bei folgenden Werten:

Luft 27,5 ºC, Wasser 28 ºC, Windstärke 3, Wellen 0,5 - 1,25 m, 1020 hPa, teilweise wolkig.

Letzteres stimmte, denn es leuchteten Sterne. Von diesen Werten lässt sich aber absolut nicht auf die Bewegungen des Schiffes schließen, denn nach dem Abendessen spritzte das Wasser in den Pools so hoch, wie wir es hier noch nie gesehen hatten. Es korrespondiert hier immer mit dem Meerwasser.

Montag, den 17. Dezember: Der Himmel ist hellblau, nach Westen zu gräulich und bedeckt, gegen den Zenit weiß, wir haben fast die Hälfte des Weges zwischen Santo Domingo und Aruba zurückgelegt.

8.30 Uhr: 14º33' N, 70º01W, Luft: 27,5 ºC, Nordostwind Stärke 3, Wellen 0,5 - 1,25 m

12.40 Uhr: Luft 27 ºC, Wasser 29 ºC, 1015,0 hPa, Windstärke 4, Wellen 1,25 - 2,5 m, bedeckt.

Um 1/2 4 Uhr gelangten wir nach Oranjestadt im Süden von Aruba, an der beeindruckenden "Grandeur of the Seas" vorbei. Sie ist ein Vier-Sterne-Schiff und kann bis zu 2.446 Passagiere aufnehmen. Sie hat Balkone in zwei Decks.

Aruba mit einigen vorgelagerten Inseln wirkt halbseiden, ist ein Las Vegas in Miniaturausführung mit einigen vom Schiff aus zu sehenden Casinos und kitschigen Gebäuden. Nach Westen zu ist es flach, etwas weiter weg gebirgig. Dort fallen einige steile, kegelförmige Berge auf. Arubas Strände sollen zu den besten der Welt gehören. Sie dürfen von der Allgemeinheit besucht werden. Nur die Liegestühle seien zu mieten. Die meisten Hotels, an denen wir vorbei fahren, gehören zu internationalen Ketten.

Wir besuchten eine Schmetterlingsfarm, die uns von einer Holländerin, von der wir den Eindruck hatten, sie sei Mitbesitzerin, sehr nett gezeigt wurde. Sie demonstrierte auch, wie die Schmetterlinge gezüchtet werden. Manche Schmetterlinge würden zwischen Kanada und Südamerika von einer Klimazone zur anderen ziehen. Die Nordküste sei gefährlicher und deshalb fänden alle Aktivitäten an der Südküste statt.

Vom Bus aus sehen wir einen Friedhof mit mehrstöckigen Grüften, einen Kakteengarten zwischen Einfamilienhäusern. Überhaupt wachsen hier sehr viele Kakteen, die auch der Grundstückssicherung dienen. Es soll sich um "Kahetschi"-Kakteen handeln. Sie sind schlank und hoch. Manche Hügel sind auch ganz mit Kakteen bewachsen, entsprechend der natürlichen Trockenheit der Gebiete. Slums sahen wir auch. - Riesige Schüsseln an den Häusern.

Die durch den Passatwind nach einer Seite geneigten schirmförmigen Bäume sollen "Difidifi-Bäume" sein. 75 % der Touristen seien Amerikaner, nur 5 % aus Europa. Das Wasser wird hier entsalzt, früher gab es Zisternen.

Wir gelangten zur Steinernen Brücke, durch die Brandung geschaffen. Sie dürfte eine der größten Sehenswürdigkeiten Arubas sein. Es ist sehr eindrucksvoll, wie sich die starke Brandung unter der Brücke hindurchzwängt und dahinter ihre Kraft und Gischt verliert. Dabei riecht es so richtig nach Meer, wie wir es am Schiff noch nicht bemerkt haben.

Eine andere Gruppe von unserem Schiff war zur selben Zeit dort. Für sie bestand der Plan, den Sonnenuntergang von einer anderen Stelle aus zu betrachten. Dabei beklagte sich deren Reiseführerin über AIDA-Passagiere, die nur gemotzt und kein Trinkgeld gegeben hätten.

1870 seien hier die Leguane ausgestorben.

Dienstag, den 18. Dezember - Curaçao: Heute folgte die Umsiedlung auf die European Vision und spätestens um 3 Uhr nachmittags musste die Mistral verlassen sein. Zur European Vision fuhren Shuttle-Busse, denn sie stand an einem entfernten Pier. Bereits um 6 Uhr standen wir auf, damit wir um 8.50, nach dem Frühstück, zum Ausflug gehen konnten. Die Schiffsleitungen wollten so viele Passagiere wie möglich los sein. Wir bedauerten das Gepäck wegen der unsanften Behandlung ebenso wie die Männer, die sich unter den kritisch beobachtenden Blicken der Passagiere wirklich plagen mussten.

Mit einem kleinen Bus ging es zuerst in die Hato-Tropfstein-Höhlen, deren Besonderheit darin besteht, dass man nicht hinunter- sondern hinaufsteigen muss. Sie seien vor 10.000 Jahren aus Korallen entstanden, die sich aus dem Meer herausgehoben hatten. Im Laufe der Zeit hätten sich durch das einsickernde Regenwasser Tropfsteine gebildet. Aber dabei waren nicht nur Stalaktiten und Stalagmiten entstanden, sondern auch Mini-Terrassen wie Reisfelder oder erinnernd an die Sinterterrassen im Yellowstonepark. Hier kann man sagen: Was es gibt auf dieser Welt, wird aus Steinen dargestellt: ein Harlekin, ein Pferd und ganz oben eine Madonna. Ihr soll beim Kopf ein Stalagmit abgebrochen worden sein, damit sie echter wirkt. - Fledermäuse sahen wir dort auch.

Das nächste Ziel war ein Aquarium. Freiluftbassins gibt es dort, Schaukästen wie in der Wilhelma, ein Glasbodenboot, von dem aus man nicht nur die verschiedensten Fische, sondern auch Schnorchler beobachten kann, und ein Muschel-Museum. Für uns war die größte Attraktion die Fütterung der Haie. Auf ein Gestell, ein Mittelding zwischen einem Kinderwagen-Lenker und einem Schlüsselring wurden Fische aufgespießt. Vor der Vorführenden gab es ein Pult mit einem Wulst. Dort bildete sich eine seichte Wasserfläche, wo vor den Haien herumgewedelt wurde. Tatsächlich kamen sie uns schnappten und rissen nach den Fischen. Mutige, sogar Kinder, durften unter Aufsicht selber füttern und über die Stirn der Haie streichen.

Von einer hohen Brücke aus zeigte uns die Reiseführerin die European Vision "aber die ist nicht Ihr Schiff" - "Doch!" wurde protestiert unter interessierten Blicken. Bei flüchtigem Hinsehen sieht sie der Mistral zum Verwechseln ähnlich.

Wir holten noch unser Handgepäck und die restlichen Kleinigkeiten und bezogen so bald wie möglich die European Vision.

Unsere Kabine glich der früheren fast aufs Haar, war nur spiegelverkehrt. Auf beiden Schiffen hatten wir ja die Nummer 1054. Die auf der Mistral war aber besser in Ordnung gewesen: Eine Glühbirne wurde ausgewechselt, aber für die Fernsteuerung zum Fernsehen erhielten wir keine neue Batterie, und im Bad auch keinen Ersatz für die aus der Verankerung herausgerissene Wäscheleine. Die war auf der Mistral sehr praktisch gewesen: Auf der Armaturenseite der Badewanne war in einer Kapsel die Leine aufgerollt, und im Gegenstück an der Türseite konnte sie eingehängt werden. Durch eine Schraube an der Kapsel ließ sie sich fixieren, so dass sie bei Belastung kaum durchhing. - Der Boden im Bad war hier nicht aus schwarzem Marmor, sondern weiß, und am Balkon standen nicht hölzerne Möbel, sondern solche aus Plastik. Da konnte sich wenigstens keine Nässe nach Regen in den aufgelegten Kissen halten. Auf beiden Schiffen bestanden Betten, Möbel, Türen und Wandverkleidungen aus heller Holzimitation, auch die "begehbaren" Schränke. Deren Türen standen diagonal zu den Wänden, so dass sich im Schrank zwischen den Kleidern und einer Kommode ein schräger Raum ergab, der nach dem Öffnen der einen oder anderen Tür beleuchtet wurde. Die Zudecken waren natürlich auf beiden Schiffen "international", womit wir uns nicht zum ersten Mal abfinden mussten.

Während sich Jussi nach dem Umzug hinlegte, ging ich in die Stadt, deren älterer Teil auf der anderen Seite des Flusses liegt. Ganz in der Nähe der European Vision gibt es dorthin eine kostenlose Fährverbindung. Ja, aber nur, wenn die Schwenkbrücke wegen durchfahrender Schiffe gesperrt ist. Auf meinem Rückweg war sie es, so dass ich die Fähre bestieg. Kaum war ich drin, musste ich sie wieder verlassen, denn inzwischen war die Brückenverbindung wieder hergestellt.

Der Markt und die Geschäfte bieten nichts Besonderes, am häufigsten sind billige Textilläden. Schweizer Markenuhren sind wesentlich teurer als bei uns. Ich suchte vergeblich nach einem geeigneten Mitbringsel. In einem der Läden fragte mich eine ältere Frau, vermutlich die Inhaberin, woher ich käme. Ich glaube, sie war eine ehemalige jüdische Emigrantin, denn sie kannte Deutschland uns sprach ausgezeichnet Deutsch. Ihr Sohn lebe in Holland und sie fahre öfter hin. Sie erzählte, ähnlich wie die Reiseführerin am Vormittag, dass man hier Tag und Nacht bedenkenlos spazieren gehen könne ohne Angst vor Überfällen. Die Kriminalitätsrate sei sehr niedrig.

Die European Vision hat vor allem die Kletterwand, die sie von der Mistral unterscheidet. Auf das nur auf ihr vorhandene Internetcafé verzichteten wir freiwillig, da dort horrende Minutenpreise verlangt wurden. Sie hat auf Deck 11 größere Schwimmbecken, 2 Whirlpools und 4 zusätzliche Duschen und ist stärker gegliedert. Dafür ist das Deck nicht ohne Treppen zu umrunden.

Beim Abendessen ging es chaotisch zu, der Speisesaal war auch voller als der auf der Mistral. Die sich im Turnus wiederholenden Speisekarten sind auf beiden Schiffen gleich, einschließlich der Schreibfehler.

Nach dem Abendessen versuchten wir beide, meinen Koffer zu öffnen. Dreimal probierten wir die 1000 erfolglos durch, so dass Jussi schließlich Gewalt anwendete.

Mittwoch, den 19. Dezember: Um 11 Uhr sind wir auf der Isla Margarita, dem südlichsten Punkt unserer Reise und unseres Lebens:

Position: 10º51.96' N, 64º03.74' W, Windstärke 3 = sanfte Brise, Luft 26,3 ºC, Neptun-Pool 27,1ºD, Luftfeuchtigkeit 74,9 %, 735,2 mm Hg steigend, Sonnenaufgang 6... Uhr, Untergang 17.57 Uhr.

Noch 5 Tage bis Weihnachten und wir haben den höchsten Sommer, so dass wir es ganz komisch empfinden, wenn viele Orte weihnachtlich geschmückt und beleuchtet sind.

Von hier aus sehen wir die Gebirge von Venezuela, zu dem auch die Isla Margarita und die vorgelagerten Inseln gehören.

Unsere Reiseleiterin ist eine blendend aussehende, fließend Deutsch, Spanisch und Französisch sprechende temperamentvolle Mulattin mit blauen Augen! Vom Bus aus sehen wir den höchsten Punkt der Insel, der 960 m hoch ist, und fahren an niedrigen Wohnhäusern und blühenden Bäumen vorbei. Hier gäbe es Kapuzineraffen, Ozelots, Skunks und Papageien. Das Süßwasser kommt vom Festland durch auf dem Meeresgrund verlegte Leitungen.

Neben Erdöl gewinnt Venezuela Eisen, Gas, Bauxit, Edelmetalle und Edelsteine wie Diamanten, Amethyste, Smaragde und Aquamarine.

Her seien Dezember und Januar sowie Juni und August die Regenmonate, wohl durch die Nähe des Äquators. Gegen Norden, dem Gebirge zu, werden die Büsche von Bäumen abgelöst, und diese sind nicht sehr hoch.

Das so genannte "Labyrinth" ist ein botanischer Garten, durch den wir von einer kompetenten hellblonden Deutschen geführt werden. Hier gibt es sehr viele blühende einheimische Pflanzen, auch Orchideen. Kredenzt wurde uns mit Zitronensaft versetzte Zuckerrohr-Melasse, frischer Zuckerrohrsaft und Fruchtsäfte. Der Zuckerrohrsaft erinnert im Geschmack an Zuckerrüben, es fehlt ihm aber deren etwas penetrantes Aroma. Ferner gab es frische Papayas Mini-Bananen, Melonen, Ananas, frische Kokosnuss- und Zuckerrohr-Stückchen. Offenbar werden diese gerne geschält gekaut. Auf einem Markt in Guadeloupe hatte mich ein kleines Mädchen mit einem ausgelutschten Zuckerrohr-Stückchen beglücken wollen. Vor uns kletterte ein Einheimischer auf eine Palme, um eine Kokosnuss zu ernten. Der Saft von dieser einen Kokosnuss hätte freilich nicht für alle Teilnehmer gereicht und wurde in einen Kanister mit Auslaufhahn zugegossen. So konnte auch hiervon jeder eine Kostprobe erhalten. Der Saft war erfrischend und hatte nur wenig Eigengeschmack, duftete kaum nach Kokos.

Der Star des Ganzen war ein kleines, an einen Baum gebundenes Äffchen. Jussi hätte es fast den Geldbeutel weggenommen, und einem Herrn setzte es sich ins Genick. Schwupp, war es in dessen T-shirt im Rücken verschwunden und mit viel Geschrei und Gelächter wieder hervorgeholt worden.

Zum Schluss fuhren wir in einen der 46 venezolanischen Nationalparks, die Laguna de la Restinga. Die Insel hat eine ähnliche Schmetterlingsform wie Guadeloupe, nur dass sie nicht durch einen Salzwasserkanal durchtrennt wird, nein, sie hat an der engsten Stelle einen sehr großen Mangrovensumpf oder -wald, der mit Motorbooten befahren werden kann mit Verbindung zum Meer. Als wir ein solches Motorboot bestiegen, machte es bei Jussi "ritsch-ratsch" und die innere Naht seines rechten Hosenbeins war auf einer Länge von etwa 40 cm aufgerissen. Die Beobachter konnten natürlich nicht ernst bleiben, dafür wurde Jussis Gesicht immer länger: "Du hast vermutlich wieder keine Sicherheitsnadeln bei Dir!" Dies musste ich ihm nach Durchsuchen meines Rucksacks bestätigen und erklären, dass Sicherheitsnadeln die Sache nur noch auffälliger machen würden. Vielleicht gäbe es auf der European Vision sogar einen Schneider, der die Naht mit der Maschine besser schließen könnte als ich provisorisch.

Zeitweise fuhr unser Boot gemächlich über die spiegelglatte Salzwasserfläche, zeitweise ging es in schneller Fahrt darüber hinweg, wobei man das Gefühl hatte, eine holprige, unbefestigte Straße ohne Federung unter sich zu haben. Zu sehen waren außer verschiedenen Wasservögeln, wie Pelikanen, unzählige Mangroven mit ihren Luftwurzeln, die oftmals Tunnels bilden, durch die wir hindurchfuhren. Ein roter Seestern wurde in die Hand genommen. Die Pelikane stürzten mit riesiger Geschwindigkeit ins Wasser, um dort Fische zu fangen. Insgesamt ist dieser Nationalpark ein zauberhaftes Gebiet mit Blick zum Gebirge.

Die südliche, streng geschützte Nachbarinsel Cubagua sei früher viel größer gewesen, doch hatte ein Erdbeben sehr viel zerstört.

Jussi fragte nach dem Nachhausekommen (!) den Steward, ob die Hose genäht werden könne. Ja, geben Sie sie mir mit. - Nach etwa einer halben Stunde brachte er sie heil wieder.

Beim Abendessen war es nicht viel weniger chaotisch als am Vorabend. Der von Gästen für den heutigen Abend deponierte Rotwein vom Vortag kam eisgekühlt. Wir ließen ihn mit der Auflage zurückgehen, dass wir ihn am nächsten Abend ungekühlt trinken wollten. Für den Nachbartisch war er unter der Mikrowelle ganz rasch aufgewärmt worden. Die Leute hatten nach Protest eine neue Flasche bekommen mit einem Entschuldigungsbrief, wir nicht. Ein Schweizer an einem anderen Tisch meinte, für seinen Wein habe sicher der Platz im Kühlschrank nicht mehr gereicht, denn seiner war richtig temperiert gewesen.

Jussi hatte seine Spätmahlzeit, zwei Brötchen, neben sich auf dem Tisch liegen. Zweimal mussten wir sie vor den massenhaft herumschwirrenden Kellnern verteidigen.

Beim Verdauungsspaziergang fanden wir ein windiges Deck bei klarem Himmel, u nd der zunehmende Mond hatte die Form einer Zuppenschüssel. Abnehmend muss er sich also hier unter dem 11. Breitengrad als Deckel zeigen. Vermutlich nicht, sondern als Schüssel auf der anderen Seite.

Donnerstag, den 20. Dezember: Mayreau ist eine der Grenadinen in Sichtweite von einer Menge anderer Inseln und Inselchen vulkanischen Ursprungs.

Vor 8 Uhr waren wir angekommen und wurden gegen 9 Uhr ausgetendert. Dabei wechselten sich zwei Rettungsboote ab. Obwohl die See fast spiegelglatt war, schwankte das neben einem kleinen Steg liegende Boot ganz ordentlich, aber jedem Passagier wurde von Matrosen beim Ein- und Aussteigen geholfen. Am Anlegesteg, gleich gegenüber, stand bereits das Glasbodenboot. Jussi war etwas enttäuscht, denn bei dem Schiff handelte es sich um einen Katamaran, in dessen Fahrgastraum sich 4 senkrechte Röhren befanden, jede etwa 40 x 80 cm groß, und einem zur Außenseite etwas abgeschrägten Glasboden unten im Wasser. Da sich in der Mitte des Fahrgastraumes die Wege zwischen Ein- und Ausstieg und Kajüte kreuzten, hatten an jeder Röhre 4 Personen Platz.

Wir wurden kreuz und quer und um die Insel herum gefahren, manchmal schneller, und wo es etwas zu sehen gab, langsamer. Dabei erschlossen sich uns bezaubernde Einblicke in die Unterwelt. Schwärme von Fischen mit den verschiedensten Mustern, Farben und Formen zogen umher und die vielfältigsten Formen von sich in den Strömungen bewegenden Korallen ließen sich bewundern. Dabei waren die Farben durch das Wasser gedämpft und das meiste nur in Grün-Schattierungen wahrzunehmen. Aus dem hellen Korallensand wuchsen Bäume, Sträucher, Blätter, Röhren, Knollen und andere Formen in den verschiedensten Größen heraus, einzeln oder in Gruppen stehend. Der Korallenschmuck würde aus den Stämmen der Korallen gefertigt, die auffallend große Netzblätter besitzen.

Kurz vor dem Ende der Fahrt machte eine der beiden netten Schweizerinnen, die mit uns an einer Röhre saßen, ihre Freundin auf Felsen aufmerksam. Man würde ihnen ansehen, dass sie aus jüngerem vulkanischen Gestein bestünden und beim Öffnen explodierten. Sie bestätigte mir, dass sie schon lange nicht mehr heiß seien, aber in ihrem Inneren hätten sich durch chemische Reaktionen Gase gebildet, die unter Druck stehen. Nach dem Namen dieser Steine konnte ich mich nicht erkundigen. Die Basalte, die es hier auch gab, seien älter. Auf Nachfrage, ob sie Geologin sei, sagte sie, dies stimme beinahe, aber ihre Richtung sei mehr chemisch-physikalisch. Von ihrer Freundin erfuhr ich, dass sie Universitätsprofessorin gewesen war. "Dies ist vorbei" sagte sie, wobei ich ihr zur Antwort gab: "Professor bleibt man sein Leben lang."

Die zwei Stunden Glasbodenboot-Fahrt waren im Nu vergangen und wir langten wieder am Steg an. In Richtung Strand waren eine Menge Strände mit T-shirts und Erinnerungs-Kitsch aufgebaut. Ob die Umsatz-Erwartungen dr Händler sich erfüllten, kann ich nicht beurteilen. Man kann ja nicht von jeder Insel und von jedem Ort ein T-shirt für sich oder andere kaufen.

Hunderte von Liegestühlen waren vorbereitet unter und vor Palmen, außerdem zwei Büfetts, eines für Mittagessen und das andere für Desserts und Obst. Angenehm, dass es an dem Tag weitgehend bedeckt war, die Sonne kam nicht zu oft durch, und während des Mittagessens überraschten uns sogar ein paar Regentropfen. Das Wasser war zum Baden angenehm, nur musste man aufpassen, nicht in Spalten zwischen Korallen und Sand zu versinken und sich zu verletzen.

Zurück am Schiff sahen wir die bewaldeten Hügel von Mayreau mit dem Ort ziemlich weit oben am Hang, und darunter abwechselnd heller Strand und Steilküste mit etwas Brandung. Nicht zu vergessen sind die vielen Nachbarinseln.

Gegen 18 Uhr war der Sonnenuntergang zu bewundern, nachdem die European Vision die Anker gelichtet hatte. Jussi war bereits in die Kabine gegangen. Als ich nachkam, erzählte ich ihm, dass ich einen neuen Freund hätte, einen dunklen Kariben, mit dem ich mich auf Französisch unterhalten hatte. "Der Arme muss aber dazu sehr viel Geduld gebraucht haben!" antwortete er mir. Immerhin hatte ich erfahren, dass er anschließend für zwei Jahre nach Paris gehen wolle. Ich fragte: "Um zu arbeiten?" - "Aber nein, um meine Rente zu genießen." Ich hatte ihn für viel jünger als 61 Jahre gehalten. Als ich mich über den Umzug von der Mistral auf die European Vision beklagte, meinte er, ich solle mich doch darüber freuen, dass ich auf diese Weise zwei Schiffe kennen gelernt hätte.

Freitag, den 21. Dezember in Pinte à Pitre auf Guadeloupe: Heute machten wir keinen Ausflug, sondern gingen am späten Vormittag auf den Markt. Es fehlten uns immer noch Mitbringsel. Es war wieder sehr heiß und schwül,, was für uns beide anstrengend war. Wie gerne hätte ich für Lukas eine Stange Zuckerrohr gekauft, aber ausgerechnet solches war nicht zu bekommen.

Am Nachmittag gegen 17 Uhr saßen wir auf dem Heck-Balkon im 11. Deck und beobachteten den Verkehr, der lebhaft, aber nicht hektisch war. Hupen war kaum zu hören im Gegensatz zum übrigen Frankreich.

Auf einem kleinen Rasenstück im Hafengelände weideten zwei Ochsen. Sie sollten auf einen Lastwagen verladen werden. Einer machte keine Schwierigkeiten, dagegen wollte der andere absolut nicht die Rampe hinaufgehen. Mit viel Mühe und Geduld gelang es, ihn mit einem Seil hinauf zu ziehen.

Plötzlich ein lautes, schrilles und anschwellendes Geschrei. War etwas Schlimmes passiert? Bald merkten wir, dass das Geschrei aus der dem Hafen gegenüber liegenden Schule kam. Dort strömte eine große Menge Schüler auf die zum Schulhof offenen Gänge. Vermutlich waren sie heute, am Freitagnachmittag, in die Weihnachtsferien entlassen worden.

Auf europäischen Flughäfen wurde gestreikt. Deshalb hatte das Flugzeug nach Paris 5 und das nach Mailand 2 Stunden Verspätung. Umgekehrt wurden von dort Passagiere erwartet, denn die Kulissen für die Empfangsfotos waren schon aufgebaut.

Samstag, den 22. Dezember: Um 8 Uhr sollten wir in Gustavia auf St. Barths sein, doch ist noch kein Land in Sicht. Wegen der Streiks hatte die European Vision erst am Morgen abgelegt und das Ausflugsprogramm war durch einander geraten.

8.19 Uhr: Position 17º13.51' N, 62º29.60 W,

8.49 Uhr: Position 17º23.29' N, 62º35.31 W.

10.45 Uhr: Seit einer Weile liegt St. Barths vor uns, davor einige Felsen und mehrere Segelboote. Je näher wir kommen, desto wolkiger wird es. Aber seit gestern ist das Meer spiegelglatt. Gerade hatte sich wieder ein Schmetterling auf unseren Balkon verirrt. Er wird seit einer früheren Insel unser Begleiter gewesen sein.

Nach Gustavia auf St. Barths wurden wir ausgetendert. Vorbei an ankernden Yachten kamen wir dort an. Gleich wurden wir in einen Kleinbus zur Inselrundfahrt verfrachtet: zwei Franzosen, drei Engländer und wir beide. In Santo Domingo war in einem großen Bus einer einzigen Engländerin jeder Satz übersetzt worden. Unser Fahrer hatte einen Franzosen neben sich vor der Glasscheibe sitzen, mit dem er sich dauernd unterhielt. Nur gelegentlich schob er die Scheibe zur Seite und erklärte ein wenig auf Englisch. Auch hier hatte vor zwei Jahren ein Hurrikan den Baumbestand weitgehend zerstört, so dass es zur Zeit nur niedrige nachwachsende Bäume gebe.

Alle paar Minuten starten und landen hier, wie auch von Schiff aus zu sehen, Flugzeuge, aber nur kleinere, davon viele private, denn der Flugplatz ist nicht groß.

Die Insel ist bergig und manche dieser Berge sind bis zu den Gipfeln bebaut. An Stränden fahren wir vorbei und alles wirkt bei dem heute herrlichen Wetter wie aus einem Bilderbuch. Das Wasser an den Stränden hat die Farben von vielen Edelsteinen: Am Ufer wie Chrysopras, übergehend zu Smaragden, Safiren und Malachiten, und darüber der unwahrscheinlich blaue Himmel mit weißen Wolken. Das Hinterlang ist grün und die Klippen und Steilufer schwarz, gelb und grau. Zwischen dem Grün der Hügel leuchten die Häuser wie weiße und rote Korallen.

Die Häuser wirken, verglichen mit dem Lago Mggiore oder dem Gardasee, gar nicht so exklusiv, wie man nach dem hier versammelten Geld vermuten möchte. Oder liegt das Geld auf dem Wasser? Im Hafen liegen dicht neben einander Luxusyachten, deren Wert nicht annähernd geschätzt werden kann. Da trägt die stattliche European Vision nur popeliges Publikum, auch wenn sich manche davon wie kleine Herrgötter vorkommen.

Die Geschäfte in der kurzen Geschäftsstraße erinnern an St. Moritz in ihrer Exklusivität. Juweliere sind besonders viele hier mit Schmuckstücken in den Schaufenstern, für die man, wenn man sie aus dem Tresor holt und zum Ausgehen anlegen will, einen extra Bewacher braucht.

Nun sind wir wieder auf der European Vision und ich glaube, dass eine der bergigen Inseln in der Nähe St. Martin ist. Wasserskiläufer, Segelschiffe und schnelle Boote bewegen sich über das leicht gekräuselte Wasser, je nach Geschwindigkeit auch Sprünge vollführend.

Und die European Vision beginnt den Anker zu lichten. Geworfen wurde er, als wir uns am Morgen zum Ausflug im Theatersaal versammelt hatten. Dort, im Bug, hatte die Ankerkette alles erdröhnen lassen.

17 Uhr: Wellenhöhe 0,1 - 0,5 m, Position 17º54.34 N, 63º09.91 W, 741,2 hPa steigernd, 79,9 % Luftfeuchtigkeit, Wassertemperatur 55,8ºF = 13,2 ºC (Was am Fernseher steht, kann nicht immer stimmen!)

17.30 Uhr: Ich will zum Abschied noch auf Deck ein wenig schwimmen gehen. Im Moment ist der Himmel stark bewölkt, bei uns tröpfelte es, stellenweise muss es geregnet haben. Das Meer ist schwarzblau, unter dem Schaum aquamarinblau und gegen West schimmert es rosa, so wie die Wolken, die von der untergehenden Sonne beleuchtet werden. Der Horizont bildet eine Linie, und dazu rauschen die Bugwellen.

Beim Abendessen ging es wieder chaotisch zu. Dabei stellte sich erhaus, dass die heutige Kellnerin aus der Pressburger Schulgasse stammt.

Sonntag, den 23. Dezember: So wie der Beginn war auch das Ende auf der European Vision, nämlich chaotisch. Über die Ausschiffung hatte es keine Empfehlungen gegeben, nach allem musste man sich mühsam erkundigen. Zuletzt war aber mit Ausschiffung und Heimflug alles in Ordnung gegangen, auch wenn es in der Touristenklasse äußerst eng zuging. Dafür konnte aber die European Vision nicht. Am Montag, den 24. Dezember, dem Heiligen Abend, kamen wir am Nachmittag glücklich nach Hause, beladen mit vielen schönen Erinnerungen, die erst einmal sortiert werden mussten, wozu die Fotos und Aufschriebe eine nützliche Hilfe boten.

Statistik: Wir haben 12 Orte und Inseln besucht bzw. berührt:

Genua - Italien, Malage - Spanien, Madeira - Portugal, Saint Lucia - Großbritannien (parlamentarische monarchie im Commonwealth) mit Ostkaribischem Dollar als Währung, Guadeloupe - Frankreich, St. Martin - Frankreich und Niederlande, Santo Domingo - Dominikanische republik, Aruba - Niederlande, Curaçao - Niederlande, Isla Margarita - Venezuela, Mayreau - Grenada, St. Barths - Frankreich

und 9 Staaten: Genua = Italien; Malaga = Spanien; Madeira = Portugal; Santa Lucia = Großbritannien (bedingt); Guadeloupe, St. Barths, St. Martin = Frankreich, Aruba, Curaçao, St. Maarten = Niederlande; Santo Domingo = Dominikanische Republik; Isla Margarita = Venezuela; Mayreau = Grenada.

E-Mail: Edith Graeser



© Edith Graeser